Ungebändigte Kräfte des freien Marktes
Allen, die von den ungebändigten Kräften des freien Marktes schwärmen, empfehle ich die Ursachen für die große Weltwirtschaftskrise von 1929 nachzulesen. Damals haben genau diese ungezügelten Kräfte zusammen mit der kompromisslosen Gier einiger Mächtiger zu millionenfachem Hunger und Verzweiflung geführt.
Mittlerweile wird der rein spekulative Anteil der internationalen Geldflüsse immer größer. Die Zentralbanken der einzelnen Nationen haben immer weniger Möglichkeiten regulierend einzugreifen. Die Geldflüsse werden zu immer größeren Teilen von Hedge-Font-Managern gesteuert, denen Geldwertstabilität völlig egal ist. Es kümmert sie nicht, wenn sie ganze Staaten in die Pleite führen, und damit tausende von Familien in die Armut stürzen, solange sie einige Milliarden Dollar damit erzielen können.
Die
Asienkrise von 1997/98 war nur eine kleine Vorwarnung. Auch wenn deren
Ursachen umstritten sind, wie fast alle wirtschaftlichen Zusammenhänge, tragen die wilden Spekulationen zumindest einen Teil der Schuld.
Diese Zustände führten zur weltweiten Wirtschaftskrise, weil die ausufernde Spekulation nicht eingedämmt wurde.
Paul Volcker, Vorgänger des US-Notenbankchefs Alan Greenspan, rechnete schon 2005 mit einer 75%igen Wahrscheinlichkeit für einen
Dollar-Crash in den folgenden fünf Jahren. (DER SPIEGEL Nr.32/2005 S.86). Und der Dollar ist die Leitwährung, die alle Notenbanken zur Absicherung ihrer eigenen Währungen im Keller haben.
Dieser Crash ist Anfang 2008 eingetreten, und hat die Menge an
virtuellem Geld ein wenig reduziert.
Allerdings ist immer noch gefährlich viel davon übrig.
Der ehemalig Chefökonom des IWF Kenneth Rogoff sagte auch noch Ende 2010 in einem
Interview: "Der
Finanzmarkt mit all seinen Produkten addiert sich auf 200 Billionen Dollar. 120 Billionen davon werden mit dem Handel von Schulden gemacht."
Weltweit versuchen professionelle Anleger ihr Geld möglichst gewinnbringend anzulegen, was aber immer nur zu neuen Spekulationsblasen geführt hat.
Nach dem Zusammenbruch des "neuen Marktes" um die Jahrtausendwende, wurden wieder "sichere" Anlagemöglichkeiten gesucht. Diese wurden in Grundstücken gesehen. Das haben aber so viele gedacht, dass sich in den USA, Großbritannien, Irland und Spanien die Grundstückspreise in wenigen Jahren vervierfacht haben. Die realen Werte haben sich aber natürlich nicht verändert.
Hinzu kam der Versuch, über '
Innovative Finanzprodukte' Anlagerisiken dadurch zu verstecken, dass man sie auf viele Pakete verteilt. Dass dieses Verstecken die Anleger dazu verleitet, höhere Risiken einzugehen, hätte man sich eigentlich denken können.
Ein netter
Cartoon erklärt anschaulich, wieso es trotzdem passieren konnte. Noch einfacher und ohne Fachwörter ist
dieser hier.
Das gleiche Spiel läuft seit dem Immobilien-Crash mit
Lebensmitteln und
Energie-Ressourcen.
Eine Artikelserie beschreibt die
kurze Geschichte der Weltwirtschaftskrise umfassend, allerdings nicht so kurz, wie es der Name verspricht.
Diese
wandernden Spekulationsblasen sind eigentlich ein Zeichen dafür, dass es
auf den Weltmärkten mehr Investitionskapital als sinnvolle Projekte gibt. Und jede Privatisierung von Renten-, Arbeitslosen- oder anderen Versicherungen erhöht die Summe an Kapital auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten.
Nach Marktgesetzen müsste das eigentlich dazu führen, dass
Investitionskapital verglichen mit Ideen, Kreativität und Arbeit an Wert verliert.
Im Widerspruch dazu, predigen Wirtschaftsberater und Investmentbanker immer noch, alle Unternehmensziele nur am Wohl der Investoren auszurichten, am Shareholder-Value.
Kann das wirklich richtig sein, oder erzählen diese Leute das nur, weil sie damit mehr Geld verdienen?
Wirtschaftstheorien
Die jetzige Wirtschaftsordnung ist wesentlich auf den Theorien von
Adam Smith (1776) aufgebaut, die wirtschaftliche Globalisierung basiert auf der Theorie des
komparativen Kostenvorteils von
David Ricardo (1817).
Nach Adam Smith wird das beste Ergebnis erzielt, wenn jeder versucht das Beste für sich selbst zu erreichen. Die '
unsichtbare Hand des Marktes ' sollte dann dafür sorgen, dass der Profit des Einzelnen automatisch auch zu einem Profit für die Gemeinschaft führt . Im 18 Jahrhundert mag das noch einen gewissen Sinn gemacht haben, weil die Profite auch wieder vor Ort angelegt werden mussten, im Zeitalter globaler Konzerne ist diese Vorstellung aber mindestens genauso unrealistisch, wie das Vertrauen in die Selbstlosigkeit der Menschen im Kommunistischen Manifest . Trotzdem behaupten immer noch die meisten Wirtschaftslenker, dass Wirtschaftswachstum automatisch zu Wohlstand für alle führen würde. Aus Unwissenheit? Oder einfach, weil sie persönlich von der bestehenden Wirtschaftsordnung profitieren?
Diese Theorie von Adam Smith wurde auch schon während des 2. Weltkriegs von
John Nash widerlegt, der dafür 1994 den Nobelpreis für Wirtschaft erhielt. Nach Nash wird das beste Ergebnis erzielt, wenn jeder versucht das Beste für sich selbst und die Gemeinschaft zu erreichen . Und für die Gemeinschaft auch eigene Ziele etwas zurückschraubt. (Anschaulich erläutert im Film 'A beautiful mind'.) Der Versuch ein Nash-Geichgewicht zu erreichen, hat schon bei vielen Verhandlungen zu einem für alle Parteien zufriedenstellenden Ergebnis geführt. Könnte man das nicht auf die gesamte Wirtschaft ausweiten?
Zu versuchen, Bedingungen zu schaffen, in denen alle Beteiligten gewinnen (Win-Win-Situation), ist wesentlich sinnvoller als alle erbarmungslos gegeneinander antreten zu lassen.Eine Wirtschaftsordnung, die auf Nashs Spieltheorie beruht, müsste also insgesamt mehr Wohlstand bringen , auch wenn die Stärksten nicht ganz so viel bekommen wie bei der gnadenlosen Konkurrenz.
Auch eine einzelne Firma wird wettbewerbsfähiger, wenn die Mitarbeiter sich für das Beste der Firma einsetzen, statt nur ihrer eigenen Karriere nachzujagen und dabei Kollegen (Konkurrenten um den Chefposten) zu verunglimpfen.
Ich bin auch überzeugt davon, dass viele Menschen motivierter arbeiten (und auch wählen) würden, wenn sie das Gefühl hätten, damit eine zukunftsfähigere Entwicklung zum Besten der Menschheit zu unterstützen.
Die Firmen-Manager sollten im Auge behalten, dass die Konkurrenz allein das Ziel hat, bessere und günstigere Produkte herzustellen, und nicht sich gegenseitig auszulöschen und vom Markt zu verdrängen. Es ist eine sanfte Konkurrenz, kein Überlebenskampf.
Dieses gemeinnützige Ziel des Wettbewerbs sollte jeder Manager berücksichtigen, und auch den BWL-Studenten beigebracht werden. Studenten der Wirtschaftswissenschaften sollten nicht nur Wettbewerbsregeln auswendig lernen, sondern auch über den Sinn des Wettbewerbs nachdenken.
Menschenbild
Das marktradikale Wirtschaftsmodell betrachtet den Menschen als
'Homo Ökonomikus'. Einem Wesen, das immer nur versucht möglichst viel Gewinn zu machen, möglichst billig einzukaufen, und Karriere zu machen um jeden Preis.
Also jemandem der keine Freunde hat, und den eigentlich kein Mensch leiden kann. Wollen wir tatsächlich alle so werden? In der Psychologie werden solche Menschen als dissoziale Persönlichkeiten oder Soziopathen bezeichnet.
Leider begünstigt unser Wirtschaftsmodell aber gerade diesen Typ Mensch, und belohnt solch asoziales Verhalten. Dadurch nötigt es jeden, der etwas erreichen will, sich in diese Richtung zu entwickeln. Und wer annimmt, dass alle anderen Menschen nur egoistisch und profitgierig sind, wird sich genauso verhalten, um möglichst viel des Kuchens zu bekommen, bevor die anderen es ihm wegnehmen.
Allerdings bin ich überzeugt davon, dass sowohl unsere Wirtschaft als auch unsere Gesellschaft zusammenbrechen würden, wenn tatsächlich alle Menschen Homo Ökonomiki wären, und niemand mehr Rücksicht auf den anderen nehmen würde. Menschen sind viel mehr als Arbeits- und Konsum-Maschinen.
Auch viele Wirtschaftswissenschaftler geben zu, dass es den '
Homo Ökonomikus' in dieser Form nicht gibt. Da es aber noch nicht gelungen ist, ein
Modell für den Menschen in all seiner Komplexität zu schaffen, basieren immer noch alle Wirtschaftstheorien auf dem '
Homo Ökonomikus'.
Und
obwohl die meisten Wirtschaftswissenschaftler sich darüber im klaren sind, dass ihre Prognosen auf äußerst wackligen Beinen stehen, verkaufen einige von ihnen sie Politikern und Öffentlichkeit als unumstößliche Tatsachen.
Es wird höchste Zeit für ein Wirtschaftsmodell basierend auf dem Modell eines Menschen, der nicht nur an sich selbst, sondern auch an seine Mitmenschen und das Wohl der gesamten Menscheit denkt.
Dieses Wirtschaftsmodell würde dann die Karriere solcher Menschen fördern, und dadurch die Entwicklung zu diesem Menschenbild unterstützen.
Es wird höchste Zeit den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu bringen. Die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Selbst Adam Smith war eigentlich Moralphilosoph, und hat versucht mit seinen Theorien den Wohlstand der ganzen Menschheit zu verbessern. Er selbst hat gesagt: "Der Kapitalismus funktioniert, solange all die individuellen Akte von Gewinnstreben und Eigennutz am Ende doch zum allgemeinen Wohl ausfallen."
Dabei ist er davon ausgegangen, dass die Gewinne auch wieder dort investiert werden, wo sie erwirtschaftet wurden. Zu seiner Zeit hat es auch weder Börsen noch eine grenzüberschreitende Wirtschaft gegeben.
Wahrscheinlich würde er im Grab rotieren, wenn er wüsste wie seine Theorien der Liberalisierung der Märkte dazu benutzt werden soziale Strukturen, und damit Wohlstand für alle, abzubauen.
Der Wirtschaftsliberalismus hat dabei ein ähnliches Problem wie der Sozialismus, dass sich trotz guter Absichten der Begründer sowohl im real existierenden Sozialismus als auch im real existierenden Wirtschaftsliberalismus sehr wohl einige gravierende Nachteile gezeigt haben.
Glücklicherweise gibt es z.B. mit dem
Arbeitskreis Postautistische Ökonomie immer mehr Wirtschaftswissenschaftler, die sich gegen die Fixierung auf die neoklassischen Theorien auflehnen.
Eine umfassende Beschreibung der Probleme der aktuellen rein wirtschaftlichen Globalisierung findet sich im
PDF Globalprinzipien.
Bei der aktuellen Weltwirtschaftsordnung wurde nicht viel mehr gemacht, als die Gesetze eines lokalen Bauernmarktes auf die gesamte Welt aufzublähen . Es wird höchste Zeit, dass die Wirtschaft die Komplexität der Welt und ihrer verschiedenen Kulturen, als auch die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen berücksichtigt.
Letzte Anpassung: 2011-01-11